Gewichtiges Weinwissen: „Wein spricht Deutsch“
8. Oktober 2015
Wer ein 3,3 kg schweres Buch mit ca. 700 Seiten alleine über Weine aus deutschsprachigen Gebieten verfasst, dem muss das Thema schon sehr am Herzen liegen. Dies wird umso deutlicher, wenn man erfährt, dass die Autoren alle im Buch erwähnten Weingüter zur Verkostung der Weine persönlich besucht haben. Wie gewichtig der Inhalt von „Wein spricht Deutsch“ nun wirklich ist, erfahren Sie in unserer Rezension.
Mut zur Besonderheit
In „Wein spricht Deutsch“ geht es um Weine des deutschsprachigen Raums. Damit sind auch einige Anbaugebiete in der Schweiz und Österreich gemeint, soweit also nichts besonderes. Außergewöhnlich hingegen ist, dass die Autoren dabei nicht in den Kategorien der klassischen Weinanbaugebiete denken, sondern sich eher an klimatischen und regionalen Gebieten orientieren, sich also mehr dem Terroirgedanken verpflichtet fühlen. So wird etwa das deutsche und schweizerische Gebiet rund um den Bodensee in einem Kapitel behandelt, statt die relativ unterschiedlichen Weine vom Bodensee und Kaiserstuhl, die in einem Weinanbaugebiet liegen, zusammen zu betrachten.
Auch besonders an „Wein spricht Deutsch“ ist, dass die Autoren tatsächlich auf Spurensuche nach einer gemeinsamen deutschen Weinkultur gegangen sind. Sprich: sie haben nach verbindenden Elementen des Weinbaus im deutschsprachigen Raum gesucht. So werden zum Beispiel verschiedene Einflüsse auf den Weinanbau beleuchtet, denn Tatsache ist, dass Wein in Deutschland nicht nur als Essensbegleiter, sondern auch als selbstständiges Getränk genossen wird. Hieraus resultiert zum Beispiel, dass der Wein viel stimmiger in der Komposition seiner Geschmackskomponenten sein muss, als dies bei einem Wein aus dem romanischen Sprachraum nötig ist.
Kaum Ermüdungserscheinungen
Die Gefahr bei einem Buch, in dem 38 Weinregionen beschrieben werden und das dann auch noch besondere oder für das jeweilige Gebiet typische Winzer vorstellt, ist, dass man als Leser dabei schnell ermüden kann. Es bedarf also schon eines interessanten und abwechslungsreichen Stils, um immer wieder Lust auf das nächste Kapitel zu erzeugen. Dies ist den Autoren allerdings wirklich gut gelungen. Regionen und Winzer werden in einer sehr persönlichen Weise vorgestellt und man beschränkt sich nicht, wie in vielen anderen Werken, auf „nüchterne“ Fakten. Diese fehlen selbstverständlich auch nicht, sind aber für Liebhaber der Statistiken in übersichtlichen Tabellen zusammengefasst.
Der mündige Weintrinker
Mir persönlich hat an dem Buch eine Kleinigkeit besonders gut gefallen, die nicht unerwähnt bleiben soll: Die Autoren nehmen nämlich den viel zitierte Begriff vom mündigen Weinkonsumenten ernst. So sind in dem Werk immer wieder kleine Infokästen zu strittigen Themen eingestreut, in denen die wichtigsten Pro- und Kontra-Argumente zu finden sind. Kein Pamphlet zugunsten der einen oder anderen Meinung, sondern Fakten, anhand derer man sich selbst eine Meinung bilden kann. Was will man mehr?