Wie entsteht ein Weinglas?
16. April 2016
Bei der Entwicklung eines Weinglases spielt der Erfahrungsschatz einer Jahrhunderte alten Tradition ebenso wie der technologische Fortschritt eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt braucht man hervorragende weinsensorische Kenntnisse, Übung und immer wieder vergleichende Weinverkostungen, wenn an der Form und Entwicklung eines neuen Glases gearbeitet wird.
Glas lässt sich wie kein anderer Werkstoff gestalten und in ästhetisch anspruchsvollste Form bringen. Das hochwertige Material hat sich für die Herstellung von Trinkgefäßen insbesondere für den Wein etabliert, weil es mit seinen spezifischen Eigenschaften prädestiniert ist, den Duft und die Aromen des Weins zu voller Geltung zu bringen.
Glas als Luxusgegenstand
Die ersten Gefäße, die als Trinkkelche verwendet wurden, kennt man, seit in den verschiedenen Regionen der Welt Wein angebaut wird. Das Design dieser ursprünglichen Gefäße war natürlichen Formen wie Blüten nachempfunden. Aufzeichnungen zufolge gab es bereits vor rund 7.000 Jahren einen von Menschenhand hergestellten Werkstoff, der unserem heutigen Glas in seiner Zusammensetzung ähnlich ist. Das Wissen der Glasmacher um die speziellen Bearbeitungsmethoden und Glaszusammensetzungen und die Magie des feinen Stoffes verlieh ihnen seit römischer Zeit einen privilegierten Status. Im ausgehenden Mittelalter und in der Renaissance wurden herausragende Glasmacher sogar in den Adelsstand erhoben.
Bis in die frühe Neuzeit hinein galt Glas als Luxusgut. Selbst im heutigen Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit bewahren die Glashütten ihre kunsthandwerkliche Technik und setzen die traditionsverbundene und dennoch fortschrittlich orientierte Glasproduktion fort. Standortvorteile für die Glasherstellung boten bereits im 13. Jahrhundert die vorhandenen Rohstoffe und Energiequellen des Bayerischen Waldes. Hier hatte man Quarzsand und Holz in großer Fülle. In der Gründerzeit hatten die Glashütten eine Blütezeit, denn jetzt ergab sich eine Wende in der Glasproduktion, die die Moderne einleitete. Das dünnwandige und farblose Glas, das wir heute für die Verkostung und den Genuss von Wein benutzen, wurde in den 1950er Jahren entwickelt, als man feststellte, wie unterschiedlich sich Weine in verschiedenen Gläsern entfalten.
Die Kunst des Glasmachens
Hochwertige und langlebige Gläser können nur aus einer ausgewogenen Rezeptur hochwertiger Rohstoffe entstehen. Eine Mischung aus Quarzsand, Pottasche und Metalloxiden, deren genaue Zusammensetzung oft ein wohl gehütetes Geheimnis des jeweiligen Glasherstellers ist, wird bei rund 1.500 Grad Celsius in Schmelzöfen, den so genannten „Häfen“, in eine feurig-flüssige Glasmasse verwandelt. Nun bedarf es des handwerklichen Könnens und der Kunstfertigkeit der Glasmacher, aus dem hochwertigen Rohstoff ein Weinglas zu formen, das in Fertigung und Präzision höchsten Qualitätsansprüchen gerecht wird. Bei der Herstellung von handgefertigten Weingläsern ist bis heute das wichtigste Arbeitsgerät die Glasmacherpfeife, deren Erfindung im 19. Jahrhundert die Kunst der Glasherstellung revolutionierte. Mit diesem Instrument entnimmt der Glasmacher das flüssige Glas in Tropfenform aus dem Hafenofen. In die zähflüssige Kugel, die man als „Kölbel“ bezeichnet, wird anschließend mit großem handwerklichem Geschick ein Hohlraum eingeblasen.
Durch Wälzen und behutsames Einblasen in eine mit Wasser getränkte Buchenholzform erhält der Kelch schließlich seine Form. So entsteht zudem die unvergleichliche Brillanz der Oberfläche. In weiteren Arbeitsschritten werden Stiel und Fuß des Glases angesetzt, indem sie mit einer Zange gezogen oder mit einem so genannten Zwickholz geformt werden, bevor das Weinglas schließlich in den Kühlofen gebracht wird.