Kabinettpause beendet!
2. Oktober 2015
Viele Jahre lang, als der Rotweinboom die Wein-Welt dominierte, hatten leichte Weißweine einen schweren Stand. Zu sehr mussten die Weine nach Toskana, Burgund oder Campo de Borja schmecken. Alkohol, als wunderbarer Geschmacksträger machte es möglich, Weine mit einer atemberaubenden Vielfalt an Aromen zu erzeugen. Der Klimawandel, mit den wärmeren Sommern erleichterte dies auch in Deutschland. Doch damit scheint es nun ein Ende zu haben – Gott sein Dank!
Schwere Geschütze
Gegen einen körperreichen, schweren Rotwein ist ja eigentlich zu sagen. Zu einer kräftigen Mahlzeit, im Winter vor dem Kamin oder zu anderer passender Gelegenheit, ist er eine genüssliche Bereicherung des Lebens. Was aber im Frühjahr und Sommer bei Temperaturen von 25 – 30°C ? Oder auch zur kalten Jahreszeit, wenn es mal ein paar Gläschen mehr sein sollen, ohne am nächsten Tag gleich zur berühmten Brausetablette mit Vitamin C-Zusatz greifen zu müssen?
Früher…. war alles besser
Früher gab es für diesen Anlass Kabinettweine. Diese hatten einen moderaten Alkoholgehalt von 10 oder 11 % Vol. und eigneten sich hervorragend für den langen Abend auf der Terrasse. Auch der passionierte Biertrinker wird nun vielleicht erwidern, dass es Kabinettweine natürlich auch heute noch gibt. Dies ist richtig, aber bis vor kurzer Zeit waren diese eigentlich gar keine echten Kabinettweine mehr, sondern Spätlesen oder Auslesen. Wie das?
Die Weinprofis sehen das so: In öffentlichen Wettbewerben, bei denen es um Medaillen oder Auszeichnungen für die Weine geht, konnten leichte Kabinettweine nicht mehr mithalten, weil die alkoholreicheren Varianten eben mehr Aromen transportierten. Nun verlangen die Verbraucher aber nach Kabinettweinen, also wurden Weine mit höherem Alkoholgehalt, die eigentlich Spät- oder Auslesen sind, vom Winzer einfach herabgestuft und als (im Wettbewerb gut beurteilter) Kabinettwein verkauft.
Wie gravierend dieser Trend tatsächlich ist, zeigen Zahlen der Bundesweinprämierung der DLG. Seit 1997 halbierte sich der Anteil der Kabinett-Weißweine, die zur Prüfung angestellt wurden. In der gleichen Zeit stieg aber der Anteil der Kabinettweine mit einem Auslese-Alkoholgehalt von über 100g/l von 5 auf 50%.
Legal, aber irritierend
Das Herabstufen eines Weines ist zwar legal, irritierte aber zunehmend die Weintrinker, die – so wie früher – einen leichten Wein erwarteten. Die Profis halten sich auch mit der Kritik an den Testern nicht hinter dem Berg zurück: Gerade beim Testen so sagen sie, scheinen viele Tester in die Alkoholfalle zu tappen. Ein alkoholreicher Wein blendet mit seinem vollen Aroma. Was in kleinen Mengen verkostet noch voll und rund wirkt, erschlägt einen – im (fast) wahrsten Sinne des Wortes – nach einigen Gläsern. Anders der leichte Kabinettwein: Er wird von Testern oft als „dünn“ bezeichnet, beim Trinken empfindet man ihn aber eher als „schlank“ oder „angenehm leicht“.
Die Wende
Seit ein oder zwei Jahren ist nun aber eine Wende zu erkennen. Vielleicht ist es das veränderte Ernährungsbewusstsein, dass leichteren Weinen wieder eine Chance gibt, oder „der Markt“, auf dem Verbraucher vermehrt leichte Weine nachfragen – oder sogar das neue Selbstbewusstsein der Winzer, die Weine einfach nicht mehr nur für die Johnsons und Parkers dieser Welt produzieren wollen, sondern auch für den Feierabend-Weinfreund. Egal wie es nun sein mag- Gut so!
[textbox title=“„Leicht“ ist ganz schön schwer“]Es ist gar nicht so einfach, einen leichten Wein zu erzeugen. Damit Wein eine gute Qualität hat, dürfen die Trauben erst zum Zeitpunkt ihrer physiologischen Reife gelesen werden. In Zeiten des Klimawandels enthalten die Trauben aber dann meist schon so viel Traubenzucker, dass nur sehr süße und leichte oder aber eben durchgegorene alkoholreihe Weine entstehen können.
Einige Winzer entfernen kurz vor der Lese das Laub, um die Bildung von Traubenzucker zu reduzieren, auch im Keller kann durch die Wahl geeigneter Hefen ein eher leichter Wein hervorgebracht werden, auch kann man mit einer Intervalllese mit gestaffelten Zeitpunkten Traben für leichte Weine gewinnen. Was aber schön viel bewirken würde wäre, in relativ kühlen Jahren in denen die Oechslegrade es erlauben würden, einen Kabinett zu erzeugen, auf die unverzügliche Anreicherung (Chaptalisierung) des Mostes zu verzichten oder auf eine Ertragsreduktion zu verzichten, die im Allgemeinen den Traubenzuckeranteil erhöht.[/textbox]