Reizthema Chaptalisierung
5. Oktober 2015
Ein Thema, das die Winzergemüter immer wieder erhitzt, heißt „Chaptalisierung“ – benannt nach dem französischen Chemiker Jean-Antoine Chaptal (1756–1832), der dieses Verfahren populär gemacht hat. Der Begriff steht für die Anreicherung des Mostes mit Zucker, um einen höheren Alkoholgehalt im Wein zu erzielen. Aus Sicht der EU soll dieses Verfahren in der bisherigen Form künftig verboten werden.
Was passiert bei der Chaptalisierung?
In schlechten Jahren haben die Winzer das Problem, dass der Most zu wenig Zucker enthält und somit bei der Gärung zu wenig Alkohol entsteht. Um dennoch qualitativ hochwertigere Weine herstellen zu können, dürfen Winzer den Most mit Zucker (Saccharose) anreichern. Dazu nutzen sie Rüben- oder Rohrzucker. In der Gärung wird der Zucker dann von Hefen in Alkohol und Kohlensäure umgewandelt. Der hinzugegebene Zucker darf nicht im Wein zurückbleiben, sondern muss vollständig vergoren werden.
Die meisten Anbaugebiete Deutschlands liegen in der Weinbauzone A. In dieser Zone darf der natürliche Alkoholgehalt um maximal 3,5 % angehoben werden. In Baden, das in der Zone B liegt, dürfen es nur 2,5 % sein. Angereichert werden darf jedoch nicht bei allen Weinen. So ist die Chaptalisierung bei allen Prädikatsweinen verboten und nur bis zur Qualitätsstufe QbA erlaubt.
Was will die EU ändern?
In Europa wird besonders in den südlichen Weinbauländern minderwertiger Tafelwein im Überfluss produziert. Dieser Überproduktion tritt die EU entgegen, indem sie mit Hilfe hoher subventioneller Mittel diese Weine zu Biosprit oder Reinigungsmitteln destilliert. Um die Überproduktion zukünftig nicht weiter zu subventionieren, sollen die Gelder gestrichen und der überschüssige Wein zu „rektifiziertem Traubensaftkonzentrat“ (RTK) verarbeitet werden. Der überschüssige Most wird vor der Gärung zu einer Art Sirup eingedampft und kann dann statt des Rüben- oder Rohrzuckers bei der Anreicherung verwendet werden. Die Winzer müssten dann nach Willen der EU das RTK in den südlichen Ländern kaufen, um ihre Weine weiterhin anreichern zu können. Das sorgt bei den Winzern verständlicherweise für Unmut. Aber auch die Rübenbauern und die Zuckerindustrie sind nicht begeistert, denn schließlich würde mit den Winzern ein bedeutender Kundenkreis wegfallen.
Ein weiterer Streitpunkt ist, dass die Höhe der möglichen Anreicherung des Alkohols von maximal 3,5 % auf maximal 2 % gesenkt werden soll. Dadurch kann in schlechten Jahren die gewünschte Qualität nicht mehr erreicht werden, da Alkohol Geschmacksträger ist.
Was bedeutet das für den Verbraucher?
Das Benutzen von rektifiziertem Traubenmostkonzentrat wirkt sich geschmacklich nicht auf die Weine aus. Allerdings stünde, sollte die Regelung in Kraft treten, wahrscheinlich ein Preisanstieg für Wein an, da die Winzer das RTK teuer in südlichen Ländern kaufen müssten.