„Sei doch mal spontan“ – Spontangärung im Blickfeld
30. September 2015
Vom Verbraucher eher unbemerkt, diskutieren Winzer (unter sich) gerne mal über den Sinn oder Unsinn der Spontangärung. Um etwas darüber zu erfahren, muss man schon eine Fachzeitschrift oder zumindest einen Wein-Publikumstitel aufschlagen. Auf dem Etikett darf mit dem Gärverfahren nämlich nicht „geworben“ werden.
Der Einfluss der Hefen
Der Stamm der Weinhefen die bei der Gärung eingesetzt werden, haben einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Geschmack. Daher schenkt man ihnen heute bei der Weinbereitung größere Beachtung als noch vor 30 Jahren. So beimpft man die Moste gezielt mit so genannten Reinzuchthefen. Diese bringen mehrere Vorteile mit sich: Die Gefahr von Fehlgärungen sinkt, der Einsatz von Schwefel kann verringert werden und, je nach Stamm, kann man dem Wein sogar eine Aroma von Stachelbeere, Apfel, Pfirsich u.ä. mitgeben. Waren es Ende der 80er Jahre nur ca. 15-20 Stämme, so hat man heute bereits über 150 Stämme zur Verfügung, um Wein mit einem Aroma zu prägen.
Spontangärung – eigentlich ein alter Hut
Seit der Begriff des „Terroir“ Einzug in die Winzerwelt gefunden hat, versuchen mehr und mehr Winzer den Geschmack der Region in die Flasche zu bekommen, um so einen individuellen aber gebietstypischen Wein anbieten zu können. Hier kommt nun die Spontangärung ins Spiel. Auf jeder Traube im Weinberg sitzen nämlich bereits „Wilde Hefen“ (so genannte Nicht–Saccharomyces-Hefen) die die Gärung (mehr oder weniger spontan) in Gang bringen können. Die Idee dabei ist, mit diesen gebietstypischen Hefen einen Teil des Aromas der Region einzufangen, das den Wein später individuell bis unverwechselbar macht. Im Laufe der weiteren Gärung geraten die wilden Hefen aber in den Hintergrund. Weinhefen (Saccharomyces-Stämme) aus der Kellerflora übernehmen dann die Oberhand und führten die Gärung zu Ende. Das Verfahren ist übrigens nicht neu. Im Gegenteil: Noch bis in die 70er Jahre wurde in Deutschland Wein genau so hergestellt.
Für und Wider
Und hier geht die Diskussion nun richtig los: Die Verfechter der Reinzuchthefe meinen, dass das Riskio von Gärfehlern (Böckser) bei der Spontangärung viel zu hoch ist. Zudem seien die Aromen aus den Wilden Hefen nur bei jung vermarkteten Weinen sensorisch feststellbar, da durch die hohe sommerliche Lagertemperatur im Flaschenlager vieler Winzer die Aromen aus den Wildhefen eh zerstört werden würden. Außerdem müsse das Lesegut vollreif und völlig gesund sein und man müsse den Gärprozess täglich kontrollieren. Ein zu hoher Preis dafür, dass ggf. die Gärung einen ungenießbaren Wein hervorbringen könnte.
Die Spontangärfraktion hält dagegen, dass der Einfluss der Wilden Hefen bisher unterschätzt wurde, dass die Reinzuchthefen zwar reintönige, aber auch eintönige Weine hervorbringen würde – und dass alleine die sehr saubere Arbeitsweise bei der Spontangärung ein Qualitätsmerkmal sei. Schließlich sei die Spontangärung ein gutes Mittel, individuelle, wenn auch meist im nächsten Jahr nicht reproduzierbare Weine hervorzubringen.
Und was tut nun der Verbraucher?
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Spontangärung kann sicher ausgezeichnete Weine hervorbringen, einen Betrieb, der in zu hohem Maße darauf setzt, aber auch schnell wirtschaftlich an den Abgrund bringen. Das Ergebnis einer Spontangärung scheint einigen (wenigen) Untersuchungen nach, auch mehr von der Arbeitsweise im Betrieb abzuhängen, als vom Terroir. Wie dem auch sei, der Verbraucher, der von dem Gärverfahren nichts weiß, wird sich auch in Zukunft auf das verlassen, was er immer macht: Auf den Geschmack.