„Mathe in der Weinstube“ – Die Weinpreise in der Gastronomie
15. Oktober 2015
Wer dachte, dass man Mathematik nach der Schule nicht mehr braucht, wird sich spätestens bei der Weinbestellung in einem Lokal eines Besseren belehren lassen müssen. Wer den Dreisatz beherrscht, zahlt mitunter weniger. Was ist los mit den Weinpreisen in der Gastronomie?
2 x 0,25 l ≠ 0,5 l??
Die Situation ist wohl jedem bekannt: Man geht mit Freunden essen und bestellt Wein. Meist können sich zwei oder drei auf eine Sorte einigen und man wählt, weil es ja günstiger ist, eine Karaffe. Wer hier nachrechnet, wird immer mal wieder feststellen, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Pfiffige Gastronomen machen sich unsere Logik „größere Mengen sind immer preiswerter“ zunutze und verlangen für die größere Menge mitunter auch einen höheren Grundpreis. Fassen die Gläser 0,25 l und enthalten die Karaffen ein Vielfaches davon, ist die Situation für den Gast noch überschaubar. Aber immer häufiger werden Gläser mit 0,2 l oder gar 0,15 l Inhalt verwendet, die das Rechnen erschweren. Zumal dieses zu späterer Stunde nicht gerade leichter wird.
Das Ende des „Schoppens“
Damals war alles besser – das mag man zumindest bestätigen, wenn es um die Weingläser geht. Gab es früher überwiegend den Schoppen zu 0,25 l, wird dieser seit geraumer Zeit von 0,2 l, 0,15 l und gar von 0,1 l „Gläschen“ abgelöst. Diese Vielfalt macht einen Preisvergleich sicher nicht einfacher. Nun haben die kleinen Gläser allerdings auch ihr Gutes. Ist man mit der Wahl des Weines nicht zufrieden, kann man schneller umschwenken.
Wucher oder seriöse Kalkulation in den Gaststätten?
Trotz aller Tricks mit denen manche Gastronomen ihre Weinpreise versteckt erhöhen, bleibt die Frage, ob es nicht auch gute Gründe für die Preiserhöhungen des Weines gibt. Die Antwort lautet: Ja, es gibt sie – jedenfalls für die gehobene Gastronomie.
Hans Burkhardt Ulrich, Geschäftsführer des renommierten „Kronenschlösschens“ beziffert z. B. allein den Bedarf an hochwertigen Gläsern, die jedes Jahr wegen Glasbruches nachbestellt werden müssen auf 2000 bis 3000 Stück. Auch der Anspruch an die Qualität hat sich geändert. Ein Wein, der die Konsumenten vor fünf bis acht Jahren noch zufrieden gestellt hat, entspricht den heutigen Wünschen nicht mehr. Ein weiterer Grund für Preiserhöhungen ist die inzwischen schon obligatorisch gewordene „glanzvolle Weinkarte“. Wer ausreichende Mengen vieler guter Weine anbieten möchte, muss auch einen entsprechend großen Weinkeller haben. Das Nachordern kleinerer Mengen ist für Gastronomen, gerade bei guten Weinen, oft recht teuer.
Durch niedrigere Preise mehr Umsatz?
Es liegt natürlich die Frage auf der Hand, ob Gastronomen durch moderatere Preise nicht mehr Wein verkaufen würden. Dies scheint jedoch nicht mehr der Fall zu sein. Für viele Gäste ist der Restaurantbesuch der Anfang des Abends und nicht der Ausklang. Sie wollen nach dem Essen noch weiter und fahren dann mit dem Auto. Auch gesundheitliche Bedenken spielen eine immer größere Rolle, sodass die Rechnung „günstiger Wein = mehr Umsatz“ nicht immer aufgeht.
Bleibt die Frage, wie es die Gastronomen in anderen Ländern, z. B. in Italien schaffen, die Weinpreise auf einem vernünftigen Niveau zu halten? Das mag sicher etwas mit der italienischen Wertschätzung des Weines zu tun haben. Für den Italiener krönt der Wein ein Essen – er gehört einfach dazu. Warum sollte man ihn so teuer machen, dass die Gäste wegbleiben oder ihnen beim Essen der Bissen im Halse stecken bleibt? Ein gutes Vorbild!